Kurzgeschichten aus Wien
Kurzgeschichten aus Wien
Boomerang
Plötzlich sitze ich in dieser Achterbahn, obwohl ich nicht wollte, und weiß nur, dass sie zwei Loopings hat. Ich sitze hier und denke mir nur, warum ich mich hab dazu überreden lassen. Ich finde es jetzt leichtsinnig – aber zu spät – der Betreiber drückt den Knopf un des geht los:
Die Achterbahn fährt rückwärts rauf und wollte nicht stehen bleiben. Irgendwann höre ich ein Geräusch des Luftdrucks der Hydraulikpumpe und ich befürchte, dass es jetzt losgeht. Doch es wird abgewartet. Lange zwei, drei Sekunden. Und wir fahren los. Es geht als erstes durch das Starthaus durch und zum ersten Looping und als es mich so gegen die Bank drückt, denke ich an Herrn Illersperger und seinen Erklärungen zum Trägheitsgesetz. Jetzt geht es zum nächsten Looping und dann ist es hoffentlich vorbei, allerdings merke ich dann schon, dass die Achterbahn plötzlich rückwärtsfährt und ich weiß nun, dass das selbige nun rückwärts gefahren wird und ich zweifele daran, wieder lebend auszusteigen.
Lutschzuckerln
Die Tür geht auf und Diana und ich betreten unser Zimmer. Das Licht brennt: „Lea, bist du da?“, fragen wir laut ins Zimmer. Keine Antwort. Nach kurzer Zeit hören wir ein „Ja“ aus dem Badezimmer. Es klingt nach Lea. Während Lea im Badezimmer ist, ziehen wir uns um. Fünf Minuten sind um und Lea ist immer noch nicht fertig. Was sie wohl dort drin mache, frage ich mich. Ich mache mich auf den Weg zur Badezimmertür und begann sie langsam zu öffnen. Das Licht ist aus und von Lea ist keine Spur zu sehen. „Diana, Lea ist nicht da!“, sage ich ängstlich. „Hä, sie hat doch geantwortet?“ erwidert Diana. Diana öffnet die Tür zum Gang. Da kommt uns Lea schon entgegen. Sie ist voll bepackt mit Lutschzuckerlen, einer Musikbox und einer Wasserflasche. Ihre Haare sind zusammengebunden und sie trägt schon ihren Pyjama. „Lea, wo warst du?“ schreien wir beide gleichzeitig.
Katakomben Träume
Ich sitze im Bus, das Benzin betriebene Fahrzeug bewegt sich langsam fort, durch die engen Gassen Wiens. Als ich aus dem Fenster schaue, ist mir langweilig, die Sonnenstrahlen knallen auf mein Gesicht während die Rundfahrt durch Wien immer so langsam und langweilig weitergeht. Die Stadtrundfahrt ist sehr anstrengend, alle Dinge, die ich sehe, hätte ich auch auf einer Postkarte sehen können, denke ich mir, als ich wieder mal der Stimme der Reiseführerin keine Aufmerksamkeit schenke. Die Gebäude, an denen wir vorbei fahren, sehen alle gleich aus und das obwohl sie besonders sein sollten, sehe ich keinen Unterschied zwischen ihnen. In der Ferne sehe ich die Stephans-Dom-Türme und denke darüber nach, wie viel spannender es gewesen wäre, in die Katakomben zu gehen. Gerade als ich in meinen Gedanken abschweife und so dahin träume, und langsam die Sonnenstrahlen zu genießen anfange, hält der Bus ruckartig an und ich werde rausgerissen. Aus meinen Katakomben-Träumen.
Der Ort den keiner mag
Als wir ankommen, lachen alle. Lustlosigkeit macht sich breit, als klar wird, dass wir durch den Ort gehen müssen. Der Ort, der nicht unser gedachtes Ziel sein sollte.
Die ersten gegangenen Meter sind lustig, bis wir an diesen Ort ankommen, wo man die Straßen noch sehen kann und die Höllenmaschinerie fühlt. Das ganze Leiden, das hier einmal stattfand.
Am Ende stehen wir vor diesem Ort, wo so viele Menschen, laute Menschen, in den Flammen verloren gingen. Du siehst Bilder der Toten und erfährst unendlich mal was über ihre Familie oder ihr Leben, die wie du hier waren. Kinder in deinem Alter.
Mit gemischten Gefühlen fährst du weiter zum gefürchteten Steinofen. Leicht ist die Luft. Man versucht es mit Spaß und zählt die Stufen auf, deren Menschen ihr Leben lassen mussten.
Wenn du an den Schulen vorbeigehst, durch das Tor läufst – das Tor, das gefürchtete Tor von so vielen Menschen, jungen, sorglosen Menschen.
Du gehst den Weg zwischen den Baracken, wo sich Menschen tummeln, aber es sich menschenleer anfühlt. Der Eingang ist offen und hell, aber je weiter man eindringt, desto enger fühlt es sich an – vorbei, und plötzlich ist alles still.
Es ist nur ein Flüstern zu hören. Du gehst am bekannten Ofen vorbei, an Bildern von Leuten, die ihr Leben lassen mussten und dann in diese Kammer, wo all die Namensschilder, die in diesen Kammern mit Gas gefüllt wurden. Auf die Namen von Unschuldigen.
Du fragst dich, ob das wirklich passieren musste und ob es in Zukunft passieren wird.
Die dunkle Gestalt in Antons Bett
Ich, Martin und Anton sind in unserem Zimmer und tun so, als wären wir auf einer türkischen Hochzeit. Es ist ziemlich warm gewesen, aber die Decken sind vor der Tür, um die Heizung einzuwärmen. Wir haben danach unsere Schlafanzüge angezogen und uns bereit gemacht, ins Bett zu gehen.
Mitten in der Nacht reden wir etwas - über unsere Leben, erzählen oder wie unsere Woche bis jetzt gelaufen hat. Plötzlich habe ich das Murmeln von Anton gehört. Als ich meine Augen öffnete, sah ich eine Gestalt, die Anton von seinem Bett rauszog. Ich habe schnell reagiert und habe das Licht angeschaltet. Es hat sich herausgestellt, dass Martin diese Gestalt war und er wollte ihm etwas Angst einjagen.
Ich fragte mich danach: Wieso kommt es, dass ich keine Angst hatte?
(Namen wurden fiktiv auf Wunsch verändert)
